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Ist die Aluminiumindustrie gerüstet?

30. Mai 2022
Düsseldorf

Corona, Lieferprobleme und Ukraine-Krieg: Die europäische Aluminiumindustrie steht vor enormen Herausforderungen.

In den kommenden Monaten drohen noch größere Probleme, auch durch Inflation und die hohen Energiepreise. Mittel- und langfristig bleibt der Nachfragetrend für Aluminium aber weiter auf Wachstumskurs. Zwar kann es infolge des Russland-Ukraine-Krieges in Europa aufgrund der Sanktionen zeitweilig zu Engpässen in der Marktversorgung kommen, mittelfristig wird sich die Aluminiumkonjunktur aber wieder stabilisieren und zulegen. Der Trend zum Leichtbau in diversen Anwendungsbereichen ist ungebrochen.

Eigentlich könnte die weltweite Aluminiumindustrie optimistisch nach vorne schauen. Laut einer Studie im Auftrag des International Aluminium Institute (IAI) erreicht die weltweite Aluminiumnachfrage bis 2030 neue Höchststände und wird um 40 Prozent wachsen. Der Aluminiumsektor muss zusätzlich 33,3 Millionen Tonnen produzieren, um das Wachstum der Nachfrage in den verschiedenen Industriesektoren zu decken - von 86,2 Millionen Tonnen im Jahr 2020 auf Millionen Tonnen im Jahr 2030.

 

Aluminiumnachfrage wächst weltweit

Die Studie „Opportunities For Aluminium In A Post-Covid Economy“, die von dem Marktforschungsunternehmen CRU International im Auftrag des International Aluminium Institute (IAI) durchgeführt wurde, geht detailliert auf die Nachfrage in den wichtigsten Industriesektoren und Regionen in der Wirtschaft nach der Coronakrise ein. Die vier wichtigsten Sektoren, die die Nachfrage ankurbeln werden, sind der Transport-, der Bau-, der Verpackungs- und der Elektrosektor. Auf sie entfallen 75 Prozent des gesamten Metallbedarfs. Zwei Drittel dieses Wachstums werden voraussichtlich aus China kommen: Dort werden 12,3 Millionen Tonnen benötigt, im übrigen Asien sind es weitere 8,6 Millionen Tonnen, in Nordamerika 5,1 Millionen Tonnen und in Europa 4,8 Millionen Tonnen. Zusammen werden allein diese vier Regionen mehr als 90 Prozent des weltweit zusätzlich benötigten Aluminiums ausmachen.

Der Studie zufolge wird die Dekarbonisierungspolitik und die Abkehr von fossilen Brennstoffen im Verkehrssektor zu einem Anstieg der Electric Vehicle (EV) -Produktion auf 31,7 Millionen Tonnen im Jahr 2030 führen (im Vergleich zu 19,9 Millionen Tonnen im Jahr 2020).

Die Nachfrage nach erneuerbaren Energien wird auch den Bedarf nach Aluminium für Solarmodule steigen lassen. Auch der Ersatz der bestehender Kupferkabel in der Stromversorgung durch Leitungen aus Aluminium trägt dazu bei. Insgesamt werden in der Stromversorgung bis 2030 weitere 5,2 Millionen Tonnen benötigt. Im Baubereich sind bis Ende des Jahrzehnts weitere 4,6 Millionen Tonnen nötig. Die Verstädterung wird 44 Prozent des Wachstums ausmachen; verantwortlich dafür ist Asien (ohne China).

Der Bedarf an Aluminiumverpackungen wird von 7,2 Millionen Tonnen im Jahr 2020 auf 10,5 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen, was auf die zunehmende Beliebtheit von Getränkedosen in Nordamerika, Europa und China zurückzuführen ist. Auch die steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen Verpackungen in Verbindung mit neuen Produkten ist für diesen Anstieg verantwortlich.

 

Aluminium-Industrie braucht bezahlbare Energie

So sehr der Blick nach vorn optimistisch ausfällt, geben die aktuellen Herausforderungen Anlass zur Sorge. Belastungsfaktoren für die Branche sind vor allem die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie physische Engpässe, z.B. in der Metallversorgung. Angebotssorgen bereiten insbesondere NE-Metalle wie Aluminium und Nickel wegen der Gefahr von Lieferausfällen aus Russland. Schwer einzuschätzen und damit relevante aktuelle Risiken bleiben der weitere Kriegsverlauf, die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise, ggf. auch ein Ausfallen russischer Gas- und Öllieferungen. Die Einflüsse der Corona-Pandemie haben zuletzt zwar deutlich abgenommen, gänzlich überwunden ist die Pandemie allerdings noch nicht. Vor allem drohen weitere Ausfälle in den Lieferketten, falls China seine rigorose Corona-Politik fortsetzt und weiterhin ganze Metropolen von der Außenwelt abschottet. Hinzu kommt die Angst vor zusätzlichen Material- und Lieferschwierigkeiten. 

Im Zuge des Ukraine-Konfliktes stiegen in Europa die bereits ohnehin hohen Kosten für Energie nochmals drastisch an. Das belastet die Unternehmen der Branche massiv. Seit dem Beginn der Energiekrise im Herbst 2021 musste die europäische Aluminiumindustrie rund 900.000 Tonnen ihrer Primärproduktion stilllegen. Bislang wurde fast die Hälfte der Produktion in der EU27 gedrosselt. Auch nachgelagerte und Recycling-Unternehmen sind zunehmend von den steigenden Energiepreisen betroffen, die durch den Krieg in der Ukraine noch verschärft wurden. Vor allem kurz- bis mittelfristig wird der Übergang von Gas zu alternativen Energiequellen wie grünem Wasserstoff durch infrastrukturelle und technische Beschränkungen behindert. Für die stromintensiven Primäraluminiumproduzenten in Europa ist der Zugang zu erschwinglichem und grünem Strom heute mehr denn je eine Überlebensfrage.

Text: Alwin Schmitt