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Aluminiumindustrie: Warum Lean, Green & Digital nicht zu trennen sind

7. September 2021
Düsseldorf

„Grün“ als Selbstzweck? Klimapolitik ohne Industriepolitik? Das funktioniert nicht, meint André E. Barten, der CEO der Achenbach-Gruppe. Und erklärt, warum Lean, Green & Digital nur Facetten des gleichen Themas sind.

ALUMINIUM: Herr Barten, Sie definieren die Zukunft der Industrie als ‚lean, green and digital‘. Ein untrennbarer Dreiklang?

André E. Barten: Ja, ich sehe diese Begriffe als Facetten des gleichen Themas. Nachhaltige, das heißt ‚grüne‘ Produktion, digitales Messen und Analyse mit KI sowie schlanke Produktion: Alles das führt schlussendlich zu erhöhter Produktivität. Selbst eine ‚grüne‘ Produktion ist nur dann nachhaltig, wenn sie am Ende des Tages zu besseren Ergebnissen führt.

 

Die drei Begriffe sind immer in Gefahr, in Beliebigkeit abzugleiten.

Barten: Eben deshalb ist der Fokus auf Produktivität so wichtig. Setzt man den Qualitäts-Output in Relation zum Input mit seinem jeweiligen CO2 -Fußabdruck, erhält man eine Produktivitätszahl, die sowohl eine Aussage über die Qualität des Produktionsprozesses, den Anteil der CO2-Emissionen als auch die ökonomische Produktivität beinhaltet. So kommt man aus dieser verschlagworteten Beliebigkeits-Falle heraus.

 

Als wie nachhaltig empfinden Sie denn Ihre Industrie?

Barten: Zunächst: Es geht nicht darum, per se ‚grün‘ zu werden, es muss schon einen Zweck erfüllen. ‚Grün‘ ist kein Selbstzweck, es geht um den Nutzen, der nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch und sozial überzeugt. Nun gibt es einige politische Ziele, die man zwar im Einzelnen diskutieren kann, hinter denen man sich aber auch versammeln kann. Wir selbst betreiben keine Maschinen in der Aluminiumindustrie – wir entwickeln und bauen sie. Also sind wir Enabler für eine nachhaltigere Produktion. Und da wir die Prozesse und Produkte sehr gut verstehen, sind wir sowohl beim Thema Digitalisierung als auch in der Ressourcen-Effizienz federführend in der Entwicklung neuer Lösungen für unsere Nische.

Wir denken also darüber nach: Was können wir dem Markt anbieten, wodurch unsere Kunden und deren Kunden noch besser werden? Das ist extrem spannend, das machen wir jeden Tag. Und daher sage ich, dass jedes unserer neuen Produkte die Facetten Lean, Green und Digital berührt und hoffentlich möglichst gut erfüllt.

 

 

 

 

 

 

 

Zur Person

André E. Barten ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Achenbach Gruppe und führt das Familienunternehmen in achter Generation. Er hat Maschinenbau und Betriebswirtschaft studiert und ist Preisträger 2021 des renommierten Preises für Soziale Marktwirtschaft der Konrad-Adenauer-Stiftung. Gemeinsam mit seinem Team wurde er für das Achenbach OPTILINK System mit dem Handelsblatt Diamond Star Award 2019 „Best Industrial Solution 4.0 – Smart Solution“ ausgezeichnet. Als Teil des Industriebeirats des Exzellenzclusters „Internet der Produktion“ der RWTH Aachen engagiert sich André E. Barten in verschiedenen Aktivitäten rund um die Digitalisierung der Produktionstechnik.

Die andere Dimension ist Ihre eigene Produktion.

Barten: Ja, wir haben das klare Ziel, CO2-neutral zu produzieren, Das wird noch ein paar Jahre dauern, aber es geht eben nur Schritt für Schritt. Für unseren Hauptproduktionsstandort in Buschhütten haben wir einen festen Plan, die Lieferkette müssen wir aber noch einbinden. Auch das hat mit Digitalisierung zu tun und mit dem Verständnis für Verschwendung, also dem Lean-Gedanken.

 

Sie sagen, die Industrie kann sich hinter den klimapolitischen Zielen versammeln?

Barten: Zumindest in Europa ist das in großen Teilen Common Sense. Ein zweites Ziel, eine zweite Prämisse hat die Politik in meinen Augen noch nicht so hart formuliert: die Industrie in Europa zu erhalten. Fügte man zum ökologischen Ziel eine europäische Industriepolitik hinzu, die den Wettbewerb schützt, so wäre dies eine unglaubliche Chance. Und mit dem Erfindergeist, den wir im europäischen Maschinen- und Anlagenbau haben, schaffen wir das. Jeder für sein Produkt, in seiner Nische und mit seinen Mitteln.

 

Das Thema Nachhaltigkeit überdeckt das Thema Standort?

Barten: Ich räume ja ein, dass nicht alles simultan geschehen kann, da wir vor einem großen Umschwung stehen. Alleine die Parallelität von Nachhaltigkeitsstreben und Digitalisierung – das sind schon große Themen. Doch zumindest der zweite Schritt muss ein klares industriepolitisches Statement sein: „Wenn ihr das Aluminium auf eine bestimmte Weise erzeugt und verarbeitet, dann schützen wir euch auch davor, dass es mit dreckiger Energie an der Außengrenze Europas produziert wird.“ Das muss der nächste konsequente Schritt sein.

 

Wie beurteilen Sie den Stand von F&E im Sinne der Nachhaltigkeit?

Barten: Die Kurve für neue Produkte ist wirklich spannend. Es gibt eine Reihe hochinteressanter Entwicklungen in der derzeitigen Technologie, aber natürlich auch viele neue Technologien. Wir schaffen es auch immer besser, ältere Maschinen zu modernisieren. Das ist ja eine fundamentale Idee von Kreislaufwirtschaft: nicht möglichst viel zu recyceln, sondern möglichst wenige Ressourcen zu verbrauchen. Das mitwachsende Walzwerk ist up-to-date und muss nicht verschrottet werden. Das versuchen wir auf der ganzen Klaviatur der Komponenten umzusetzen.

 

Womit wir wieder bei der Digitalisierung angelangt sind?

Barten: Natürlich. Predictive Maintenance, Condition Monitoring, Digital Twin und Simulation – diese Werkzeuge können Entwicklungen, die früher Jahre gedauert haben, auf Monate verkürzen.

"Fügte man zum ökologischen Ziel eine europäische Industriepolitik hinzu, die den Wettbewerb schützt, so wäre dies eine unglaubliche Chance. Und mit dem Erfindergeist, den wir im europäischen Maschinen- und Anlagenbau haben, schaffen wir das."

 

Ich nehme an, auch ‚Digitalisierung' kann man der Beliebigkeit nur entreißen, indem man die Produktivität als Kriterium heranzieht?

Barten: Ja, und das Kernkriterium sind die Daten. Aus deren Analyse kann man Produkte entwickeln und Mehrwerte generieren. Die wiederum sind nur monetarisierbar, wenn sie auch zu einer gewissen Produktitvitätserhöhung führen. Hier geht es um sehr viele kleine Stellschrauben.

 

Geben Sie mir ein Beispiel?

Barten: Denken Sie etwa an Folien: Bei einer Dicke von 4,5µm sind die physikalischen Walzmodelle schon lange am Ende. Wenn Sie so wollen: Newton greift hier nicht mehr, ich bräuchte Einstein, den ich aber leider nicht habe. Also nutze ich empirische Daten, und zwar in großer Menge, und die muss ich geschickt auswerten. Schlussendlich muss ich noch jedem Quadratzentimeter oder Kubikzentimeter des Produkts die Daten des gesamten Produktionsprozesses zuschreiben. Nur dann kann ich den Footprint nachweisen – und zwar über die ganze Supply Chain hinweg.

 

Industrial IoT wird meist über die Verknüpfung von Technologie verhandelt. Kann es sein, dass die Verknüpfung von Menschen bisweilen vernachlässigt wird?

Barten: Den Eindruck habe ich manchmal, ja. Eine wichtige Frage ist ja: Wie kann ich in einer digitalen Welt den Prozess mit den Wertschöpfungs-Stufen vor und hinter meinen Maschinen so schlank machen und über Digitalisierung so optimieren, dass ich wirklich ein globales Optimum erziele? Und nicht nur eine Ansammlung von suboptimalen Lösungen, die sich vielleicht gut anhören, die aber dem Gesamtprozess nicht nützen. Dazu müssen sich auch Menschen vernetzten und gemeinsam und unternehmensübergreifend nach Lösungen suchen. Das beinhaltet auch die Frage der Vernetzung mit Mitbewerbern.

 

Das tangiert aber auch Fragen der Kultur.

Barten: Ja, es gibt eine kulturelle und eine technische Dimension. Es funktioniert nur dann wirklich gut, wenn man miteinander spricht, sich auf Standards einigt. Gerade in Nischen wie der unseren gibt es eine gute Chance, dieses Denken mit einigen strategischen Partnern weiterzuentwickeln.

 

Und geschieht das auch?

Barten: Ich denke, dass vor allem die Vernetzung zu Kunden meist gut funktioniert. Innerhalb eines Marktes ist es schwieriger, da doch jeder sehr stark an sein eigenes Produkt denkt. Möglicherweise hilft hier aber wiederum die technische Vernetzung: Sie erzeugt einfach die Notwendigkeit!

 

Das Gespräch führte Bernhard Fragner.

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